Diashow Eis unter den Schneeschuhe - Frühjahrshochtouren in den Albula Alpen zurück zur Übersicht
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Sommerhochtouren gehören zum Standardprogramm des engagierten Bergsteigers. Skihochtouren im Winter sind eine Lieblingsbeschäftigung derjenigen Bergsteiger, die auch auf zwei Brettern gut unterwegs sind. Was machen aber diejenigen im Winter, die zwar sommers viele Gletschertouren unternehmen, für die aber das Skifahren ein Buch mit sieben Siegeln ist? Sie versuchen es einfach mal mit Schneeschuhen. Was im Allgäu oder Lechtal prima klappt sollte auch auf Gletschern kein Problem sein dachte sich eine zwölfköpfige Gruppe unter Leitung von Kai Schroeder (Bezirksgruppe Remstal) und Jochen Furch (Alpine Tourengruppe) und bezog von 13. bis 16. April 2007 Quartier in der Jenatschhütte (2652 m) in den Albula Alpen.

Dass der Sommer 2007 schon im April begann, machte schon der Start am Julierpass deutlich: gut 13 Grad Mittagstemperatur und extrem weicher, sulziger Schnee gestalteten den Aufstieg zur Fuorcla d'Agnel (2987 m) ausgesprochen mühsam. Die nicht eben leichte Ausrüstung (komplette Hochtouren- und Lawinenausrüstung) drückte uns heftig in den schweren, weichen Schnee hinein. Ohne Schneeschuhe wäre überhaupt kein vorankommen möglich gewesen und selbst mit Schneeschuhen standen wir häufig bis zu den Oberschenkeln im sulzigen Weiß. Von der Fuorcla d'Agnel aus sieht man die Hütte schon zum Greifen nah und ahnt, dass der Hüttenwirt, Röbi Hofer uns auch schon mit seinem Fernglas erspäht hat. Wir waren sehr froh, dass der letzte steile Osthang, direkt vor der Hütte, problemlos (mit Sicherheits-abständen) gequert werden konnte. Bei heikler Lawinelage hätte sonst ein knapp 200 Hm Abstieg mit anschließendem Wiederaufstieg gedroht! Mehr oder weniger erschöpft erreichten wir nach gut 5 Stunden die Hütte und wurden mit Tee und freundlichen Worten empfangen. Eine Geste die leider sehr selten geworden ist, aber in der Jenatschhütte noch Tradition hat.

Die Tourenplanung der kommenden Tage wurde durch das anhaltend warm vorhergesagt Wetter und den Lawinenlagebericht bestimmt. Letzterer war täglich Stufe zwei für Schneebretter morgens, im Tagesverlauf dann Stufe auf drei steigend für Nassschnee-lawinen, an Südhängen bis über 3000 m Höhe. Somit war klar, sehr früh starten, Touren möglichst bis zum frühen Nachmittag beendet haben und Südhänge am Nachmittag meiden.

Nach erholsamer Nacht und leckerem Frühstück mit hausgemachtem Müsli, selbstgebackenem Brot und bestem Bergkäse war dann auch gleich der höchste Gipfel im Umkreis der Hütte das Tagesziel, der Piz Calderas, immerhin 3397 m hoch. Nach dem üblichen morgendlichen LVS-Check und knapp einer Stunde gemütlichem Dahinwatscheln mit den Schneeschuhen auf noch recht festem Harschdeckel standen wir am Gletscher, seilten an und hatten endlich das ersehnte Eis unter den Schneeschuhen. Der Gletscher war sehr gut eingeschneit, wobei wir jedoch gleich am Anfang an einer imposanten Eisgrotte vorbei kamen, die deutlich zeigte, dass unter dem Schnee ein dicker Eispanzer liegt. Anseilen ist auf diesem Gletscher auch im Winter für Schneeschuhgeher Pflicht. Anders als bei den Skitourengehern ist es allerdings mit Schneeschuhen sowohl im Auf-, wie im Abstieg auch kaum störend. Der Calderasgletscher zieht über zwei gut 30 Grad steile Rampen hinauf auf ein Gletscherplateau auf gut 3100 m Höhe. Ab hier kann man dann zunächst abseilen und steigt über eine Firnflanke, zum Schluss über Geröll und Fels auf den Gipfel hinauf. Aufgrund des stabilen Hochdruckwetters war die Aussicht fast unglaublich. Der Piz d'Err, das Ziel des nächsten Tages, in Schneeballwurfweite. Weiter weg im Osten, aber bestens zu erkennen: Piz Roseg, Piz Bernina mit Biancograt, Piz Palü, Ortler, Zebru und Königspitze. Den Blick nach Süden dominiert der Piz Platta und die Berge um das Averser Hochtal, im Hintergrund das im Winter beliebte Cilchalphorn im Rheinwaldgebiet. Nach Westen zu trauen wir unseren Augen fast nicht, sehr klar und in ganzer Pracht zeigten sich die Monte Rosa. Wieder unten am Gletscherplateau erblickt man auf der gegenüberliegenden Seite die Tschima da Flix, mit 3301 m ein weiterer schöner Hochtourengipfel, der zudem einen Abstieg in die Fuorcla da Flix ermöglicht von der aus man ebenfalls wieder die Hütte gut erreichen kann. Es drängte sich förmlich auf diese Variante zu wählen. Wir seilten wieder an, stiegen über den Gletscher in einen Sattel kurz unterhalb des Gipfels. Die letzten Meter zum Gipfel der Tschima da Flix gingen dann über einem etwas schmalen Fels-/Firngrat, der jedoch mit Hilfe von Steigeisen und eines Fixseils sicher und schnell überwunden werden konnte. Über einen breiten Rücken ging es anschließend rasch hinab in die Fuorcla da Flix und schon im Abstieg erkannten einige den markanten Piz d'Agnel (3205 m), der sich mit einem steilen Grat von der Fuorcla empor zieht. Eigentlich nicht geplant, aber da wir sehr gut in der Zeit waren beschlossen einige auch diesen Gipfel noch zu besteigen. Drei 3000der auf einen Schlag sozusagen, ein Gletscher, 1200 Hm Auf- und Abstiege und 10 Stunden auf Tour war die befriedigende Bilanz für den ersten Tag. Zudem waren wir, wenn auch etwas später wie geplant, rechzeitig genug zurück um noch die wärmende Sonne vor der Hütte genießen zu können.

Am dritten Tag stand dann der König des Gebiets, der Piz d'Err (3378 m), auf dem Programm. Weitere Gipfel lagen hier nicht am Weg, wobei der Piz d'Err als insgesamt schwieriger einzustufen ist, als die Gipfel des Vortags, es ist also kein Fehler hier entsprechende zeitliche Reserven zu haben. Zum d'Err Gletscher ist es gut eine halbe Stunde weiter, wobei der sich zudem auch deutlich imposanter zeigt. Ein Steilaufschwung von gut 35 Grad, rechts große Spalten, in der Mitte eingescheit, halblinks ein Eisbruch und ganz links ebenfalls gut eingeschneit und (noch) schattig. Die Skispur zieht mittig durch, wir entschieden uns für ganz links, da der Schatten uns länger harten Firn erhoffen lies. Die Hoffnung bestätigte sich, denn wir konnten problemlos, angeseilt den steilen Hang hinauf steigen. Auf 3200 m errichten wie ein größeres Gletscherplateau mit bizarren Felsen und Türmen in der Umrandung und nicht wenigen welligen Eindellungen im Firn, die deutlich zeigten, dass man im Sommer hier sicher einer ordentliche Spaltenkurverei hat. Im April war's kein Problem und so erreichten wir schnell über eine Schulter hinweg den eigentlichen und sehr imposanten Gipfelaufbau des Piz d'Err. Der weitere Weg war eindeutig, eine gut 100 m hohe und 40 Grad steile Firnflanke hinauf in eine Scharte kurz unter dem Gipfel. Mit Steigeisen und Pickel konnte die Flanke problemlos erstiegen werden, in der Scharte angekommen war es noch eine Seillänge über eine schattig, kalte Felswand mit harten Firn- und Eiseinlagerungen. Auch hier half ein Fixseil sicher auf den Gipfel und wieder runter. Auch die steile Firnflanke kamen wir prima wieder runter und erst der steile Gletscherhang, der morgens noch so schön fest war zeigt nun im weichen Sulz mit feiner Gleitfläche drunter, die Grenzen der Haltekräfte von Schneeschuhen. Hier zieht man sie am besten aus und gegebenenfalls die Steigeisen wieder an. Letztlich waren wir dann recht früh wieder auf der Hütte und konnten erneut einen angenehm entspannten Nachmittag verbringen. Fest stand für uns auch, der Piz d'Err ist der schönste, wenn auch nicht der einfachsten Berg im Umkreis der Jenatschhütte.

Für den letzten Tag war eigentlich der Überschreitung des Piz Surgonda mit Abstieg zum Julierpass geplant. Aufgrund der hohen Temperaturen, der zunehmend niedrigeren Höhe zum Julierpass hin und der angespannten Lawinenlage beschlossen wir direkt zum Julierpass zu gehen. Die erste Überraschung auf diesem Weg war ein Schneeschuhbruch, der nur notdürftig geflickt werden konnte. Die zweite, dass der Schnee nun schon 200 m über dem Julierpass aufhörte! Drei Tage vorher starten wir ab Julierpass im Schnee! Eine Null Grad Grenze von 3200 m im April lies den Schnee in kürzester Zeit rasant wegtauen.

Das Fazit der Tour: Die Gipfel um die Jenatschhütte bieten auch für Schneeschuh-bergsteiger interessante Ziele für einfache winterliche Hochtouren. Kenntnisse der Lawinenkunde, entsprechende Ausrüstung und Hochtourenerfahrung sind allerdings unbedingt erforderlich. Die Jenatschhütte ist ein sehr angenehmes Quartier, mit einem stets unaufdringlich freundlichen Hüttenteam um den Chef Röbi Hofer und bester frischer Bündner-Veltliner Küche. Eine Bergsteigerunterkunft wie man sie sich wünscht ohne unnötigen Komfortschnickschnack, aber bestens organisiert mit sehr kompetentem Hüttenteam. Lohnt sicher auch im Sommer einen Besuch!

Infos zur Jenatschhütte: http://www.chamannajenatsch.ch

Bericht und Bilder: Kai Schröder