Diashow Leichte Hochtour in der Texel-Gruppe (03.08.07 - 06.08.07) zurück zur Übersicht
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Wer sich bei Ingo Pfaeffle von der DAV-Bezirksgruppe Remtal für eine Tour anmeldet, der weiß, dass er/sie eine Tour vom Feinsten herausgesucht hat. Aber es ist auch bekannt, dass Ingos Touren sehr anspruchsvoll sind und hohe Anforderungen an die Ausdauer stellen – also nichts mit „leicht“. Ein Bericht der Teilnehmerin Sigrid Altherr-König, die vier Tage Anfang August 2007 die „Leichtigkeit“, aber auch Schönheit dieser Tour genoss.

Ein Blick ins Internet im Vorfeld: der 1976 eingerichtete Naturpark Texelgruppe ist mit 33430 Hektar der größte Naturpark in Südtirol. Die günstige Lage, leicht erreichbare Zugänge machen das Gebiet während der Sommermonate zum Wanderparadies. Bekannt ist vor allem der „Meraner Höhenweg“, in 6 – 7 Tagestouren mit einer Gesamtlänge von nahezu 100 km um die Texelgruppe „herum“zu bewältigen. Mit ihren pyramidenförmigen Gipfeln und ihren Graten schiebt sie sich als Untergruppe vor die dahinter aufragenden Urgesteinsmauern der Ötztaler Alpen.

Schon die Anfahrt der 14-köpfigen Gruppe dauert. Von Stetten über Imst, den Reschenpass, das sonnige Vinschgauer Tal bis Meran läuft alles noch. Der Verkehrsrummel in Meran jedoch ist nervtötend, noch schwieriger, die kleine Schilder Richtung „Tirolo“ ausfindig zu machen. Endlich können wir unsere Autos in die pralle Sonne an der Seilbahn Hochmut abstellen.

Auf einem schattigen Waldweg geht es 1100 hm ins Spronser Tal hinein, später teilweise auf Plattenwegen über Steilstufen, an Wasserfällen vorbei zur kleinen, privaten Bockerhütte (1717m). Drei Stunden gemütliches Bergauf. Welch Freude gleich bei der Belegung des Matratzenlagers: richtige Federbetten vom Tigerfell- bis zum Schlumpfbezug! Ein fröhliches Bunt bietet ein Kontrastprogramm zum sonstigen Einheits-Grau-Braun der DAV-Decken. Und noch „doller“ dann die mächtigen Ritzen zwischen den Außenwand Holzlatten mit „Aussicht zwischendurch“ ( „Wie machen die das bloß im Winter, da schneit´s doch rein?“). Feinstes italienisches Abendessen an langen, mit Wachstuch bedeckten Tischen erwartet uns. So kennt man es von italienischen Hütten. Plötzlich ein kleiner Aufschrei: Durchs Fenster zu sehen gondeln zwei Ziegenböcke in der Materialseilbahn vorbei. Wozu, das sollten wir am nächsten Tag erfahren.

Der zweite Tag beginnt mit Verhandlungen. Könnte der Hüttenwirt unsere Rucksäcke nicht.... nur 400 hm bis zur Oberkaseralm? Genau wie die Ziegenböcke? Er konnte. Ein schlechtes Gewissen haben wir nicht, denn schließlich stehen uns insgesamt 1800 hm an diesem Tag bevor. Dort angekommen, ein köstlicher Anblick: Die Kinder der Alm halten mit aller Kraft unsere Ziegenböcke fest, endlich dürfen sie los zur weiblichen Ziegenherde, sie rennen los... und schlecken Salz, der auf einem Stein liegt. Die Spronser Seenplatte ist erreicht. Die neun Spronser Seen bilden die größte hochalpine Seengruppe Südtirols – ein jeder in seiner ihm eigenen Form und Farbe zwischen 2100 und 2600 m, einer schöner wie der andere. Wie gerne hätten wir an diesen Seen bei diesem Traumwetter verweilt, doch lockt hier schon die markante Gipfelpyramide des Tschigat. In leichter Kletterei erreichen wir über die Milchscharte das orange angemalte Bivacco Lammer ( 2698 m). Endlich Mittag mit einem tollen Blick auf die Ostwände des Lodner und der Hohen Weiße! Für Gelächter sorgt auch eine richtig große Milchkanne vor dem Biwak. Welcher Scherzbold diese wohl auf diese Höhe geschleppt hat ? Über Blockgestein führt uns Ingo dann weiter zum Halsljoch (2808m) Das bedeutet für die ganz verrückten Höhenmetersammler Rucksackdepot und in II-er Kletterei hinauf auf den Tschigat (3000m) mit letztmaligem Ausblick auf die Spronser Seenplatte, Meran, den Cevedale. Für die weniger Verrückten mit dem zweiten Führer Jochen Schuh bedeutet das ein gemütlicheres Weiterwandern Richtung Lazins. Als die „Tschigat“-Gruppe den kleinen, aber oho-Abstecher hinter sich hat, geht die Aufholjagd los. Schier endlos in nördlicher Richtung über Blockgestein und Wiesen nochmals ca. 500 hm bergab zur nicht bewirtschafteten Andelsalm. Ein Zittern in den Knien verrät den Gipfelstürmern, dass ohne Abendessen an ein Weiterkommen nicht zu denken ist. Der direkte Blick auf noch zu bewältigende 500 hm steil bergauf zur Schafschneide( 2800 m) lässt manche doch etwas gequält in ihre Habseligkeiten beißen. Es sollte noch hart kommen in den letzten wärmenden Strahlen der Sonne. Schon beim Aufstieg zieht sich das Feld auseinander, Elke bietet sich an, beim Letzten zu bleiben, Jochen winkt mit den „Gemütlicheren“ von oben herab, Ingo motiviert: „Ich muss schnell nach oben, dem Hüttenwirt Bescheid geben, dass sie uns Quartiere und Essen zurückhalten.“ Oben auf der Lazinser Schneide sind fast alle so erschöpft, dass sie den Blick auf die Marmolada verpassen. Wieder bergab, vorbei am Graffensee, wir wandern, besser tappen nun schon weit auseinander vor uns hin, der gute Ingo hält durch Hin- und Herlaufen Verbindung. Eine kleine Spitzengruppe eilt voraus zwecks Quartierabsicherung. Ich selbst im Mittelfeld, habe ehrlich gesagt die Nase voll, als ich endlich die Stettiner Hütte, nochmals 200 hm über mir trutzig auf einem Felsplateau stehend, erblicke. Also nochmals 200 hm hoch, Schritt für Schritt.

Nach einem traumhaften Bergtag auf einsamen, kaum begangenen Wegen, erreichen die letzten um 19.45 Uhr die Hütte. Ingo errechnet 2150 hm bergauf, 950 hm bergab. Wir sind geschafft, selbst das allabendliche Geplapper entfällt. Nur zu einer letzten Diskussion reicht es. Schaffen wir am nächsten Tag noch die Hohe Wilde und den Weg zur Lodnerhütte ?

Als am nächsten Morgen um 6.00 Uhr alles raschelt, beschließt ein guter Teil der Gruppe: wir gehen nicht mit hoch auf die Hohe Wilde (3482m), sondern warten in der Hütte. Dreieinhalb Stunden später hören wir von einem unglaublichen Gletscherpanorama bei strahlendem Himmel am Gipfelkreuz. Die Zeit drängt, fast alle essen noch eine Knödlsuppe wegen der Salze. Der Übergang von der Stettiner Hütte zur Lodnerhütte (2259m) ist im hochalpinen Mittelpunkt der Texelgruppe. Im nördlichen Wegabschnitt mit dem Eisjöchl(2908m) als höchstem Punkt benutzen wir kurz den Meraner Höhenweg. Im Mittelteil mit der Johannesscharte (2854 m) als höchstem Punkt ist der steile und auf der Nordseite oft vereiste Steig teilweise durch Fixseile gesichert. Wir haben Glück. Kein Eis. Dafür kommen wir in den Genuss eines kraftraubenden Hochziehens an Stahlseilen im steilen Geröll nach dem Motto „Zwei Schritte vor, einen zurück“. Und wie das so bei Scharten ist, auf der anderen Seite geht´s wieder am gesicherten Steig bergab. Als wir endlich wieder „Grün“ unter den Füßen haben, lechzen wir nach unserer Trinkflasche und gestehen uns ein Aalen in der Sonne zu. Der restliche Weg zur italienischen Lodnerhütte (2259 m) ist Genuss pur. Rauschende Gebirgsbäche mit Gumpen locken zum Baden. Ein lauter Pfiff Marions warnt zwei weit von uns entfernt badende Bergwanderer. Wir lachen und genießen das Bad in der Sonne auf der Terrasse der Hütte. Abends kommt bei ausgezeichnetem Rotwein mächtig Stimmung auf.

Auch der letzte Tag hat es in sich. Mit flottem Tritt bewältigen wir in stetigem Auf und Ab in dreieinhalb Stunden den Franz-Huber-Steig, der teilweise mit Krampen und Stahlseilen versichert ist. Kein Mensch ist uns in dieser Zeit begegnet. Das ändert sich schlagartig, als wir am herrlich gelegenen Hochganghaus (1839 m) ankommen. Dieses liegt nämlich am Meraner Höhenweg und wird von vielen Bergwanderern als erste Übernachtungsstation genutzt. Inmitten von Pferden, Hasen und charmant-kruschteligem Durcheinander um die Hütte genießen die Männer hauptsächlich Deftiges, während die Frauen eher bei Minestrone-Süppchen oder Süßem bleiben.

Vier herrliche Bergtage neigen sich dem Ende zu. In anderthalb Stunden rennen wir zur Hochmut-Seilbahn , alles, was uns entgegenkommt, geht uns aus dem Weg, so schnell und kraftvoll ist mittlerweile unser Tritt. Herrliche Ausblicke auf Meran bilden einen schönen Abschluss.

Alles in allem eine wunderschön einsame, aber an die Kondition hohe Anforderungen stellende Tour. Wie sagte es ein Teilnehmer abends vor dem Einschlafen so treffend ? „Wir quälen uns ab, aber vielleicht stellen wir gerade deswegen fest, dass das Leben schön ist.“

Eine „leichte“ Hochtour im Sinne von „nicht schwierig, einfach, mühelos, ohne Schwierigkeiten, unproblematisch bequem“ war es sicher nicht. Aber vielleicht war es uns gerade wegen den Anstrengungen umso „leichter“ ums Herz, weil wir nur so die Schönheiten der Berge und Seen erfahren und begreifen konnten.

Ingo Pfaeffle und Jochen Schuh haben nicht nur gute Vorbereitungsarbeit geleistet, sondern wieder einmal in ihrer bescheidenen, zuverlässigen und flexiblen Art bewiesen, dass sie gute Führer sind. Auf ein Neues im nächsten Jahr !

Text: Sigrid Altherr-König
Bilder: Ingo Pfäffle