Diashow Leichte Hochtouren in den Glarner Alpen, oder: ein Gipfel, ein Joch, aber kein Loch!
08.07.-10.07.2011
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Die Glarner Alpen sind bekannt dafür noch recht ursprünglich zu sein. Wer Bergeinsamkeit sucht ist hier genau richtig und besonders einsam ist's im Calfeisental, westlich von Vättis, wohin diese Ausfahrt führte. Am Ende des Calfeisentals endet die Straße in St. Martin, einer Walsersiedlung mit geschätzten 5 Häusern. St. Martin ist nur im Sommer bewohnt, da das gesamte Calfeisental im Winter wegen der steilen Hänge und der großen Lawinengefahr gesperrt ist. Dieser einsame Ort ist Ausgangspunkt für eine Fülle mehr oder weniger anspruchsvoller Bergtouren und zugleich Eintrittspforte in das UNESCO Weltnaturerbe Sardona (siehe Link am Ende).

Wir starteten von St. Martin den ca. 3stündigen Aufstieg zu Sardonahütte (2158 m) des SAC. Nach ca. 2/3 der bisher eher flachen und etwas eintönigen Strecke öffnet sich plötzlich das Tal und man erblickt sowohl die Hütte, als auch die Tourenberge in ihrem Dunstkreis. Zugleich befindet sich hier auch die Sardonaalp auf der man sich nochmals für's letzte Drittel des Aufstiegs stärken kann, denn ab hier wird's nun deutlich steiler.

Wir waren schon kurz vor der Hütte, man konnte das Calanda Bräu schon fast riechen, da bemerkte Volker, dass er sowohl Handy, als auch Geld und Ausweis im Auto liegen lies. Zudem auch noch bestens positioniert auf dem Armaturenbrett. Trotz aller Einsamkeit im Calfeisental erschien es ihm dann doch sinnvoller nochmals ab- und wieder auszusteigen, ein kräftiges Tagespensum von fast 1600 Höhenmetern war dies dann für ihn schon am ersten Tag. Alle anderen bezogen derweil in der Hütte Quartier, warteten, tranken Tee oder beschäftigten sich etwas mit Sicherungstechnik in steilen Firnflanken. Versuche sich mit dem Handy mal wieder in die Zivilisation einzuloggen wurden allerdings gleich im Keim erstickt, denn die Sardonahütte liegt in einem Mobilfunkloch. Was auch in einem Zeitungsbericht, der auf der Hütte auslag, besonders lobend hervorgehoben wurde, mit besonderer Empfehlung für gehetzte Städter die dringend mal Ruhe brauchen. Irgendwann gesellte sich dann auch noch die Hüttenkatze zu uns, für Abwechslung war also trotz Funkloch gesorgt. Gegen 18.30 Uhr war die Gruppe dann wieder komplett und wir konnten mit dem leckeren und reichhaltigen Abendessen starten.

Im gemütlichen Lager der Sardonahütte, in welchem wir zu zwölft immerhin zwanzig Plätze zur Verfügung hatten, ein wahrlich seltenes Erlebnis auf Hütten, pfiff uns dann der Wind in den Schlaf, stets unterbrochen vom heftigen Prasseln des Regens, was nichts Gutes für den nächsten Tag verheißen lies.

Es kam wie erwartet, morgens zum geplanten Frühstück um 6 Uhr regnete es aus Kübeln und der Nebel war so dicht, dass man kaum die Regentropfen sah. Beat, der Hüttenwirt, riet uns das Frühstück auf 7.30 h zu verschieben, was wir dann auch taten.

Nach dem 2. Wecken wurde dann rasch gefrühstückt. Leckeres Brot, Marmelade, Bergkäse und Müsli, mit diesen Grundlagen im Bauch brachen wir Punkt 8.30 Uhr, jetzt tatsächlich ohne Regen, Richtung Sardonagletscher auf.

Fast so, als wollte die Gruppe die Zeit wieder reinholen ging es die 500 Hm zum Gletscher über die teils steile Moräne in nur etwas mehr als einer Stunde hoch. Dort wurde dann angeseilt und es ging weiter zum Sardonapass, noch vor ca. 10 Jahren, ein Gletscherübergang. Heute hat hier auf weiten Flächen Schutt das Eis verdängt.

Egal wo und wann man zurzeit in den Alpen unterwegs ist, der Klimawandel begleitet einen auf Tritt und Schritt. Das zeigt sich dann auch beim Aufstieg zum Surenjoch (2948 m). In 20 Jahre alten SAC-Führern ist von einem leichten Aufstieg die Rede, der evtl. gegen Ende der Saison etwas ausapert, dann Spalten zutage treten lässt, deutlich steiler wird und dann mit 'ziemlich schwierig' zu bewerten ist. Wie gesagt, gegen Ende der Saison, also September, Oktober, sollte das so sein. Nun, im Jahre 2011 ist es schon Anfang Juli soweit. Der Aufstieg war teils blank, hatte offene Spalten und war gut 45 bis 50 Grad steil über ca. 80 Hm. Schnell war klar, das bedeutet erstens Arbeit und kostet zweitens Zeit, denn ohne Fixseile zur Sicherung geht hier nichts.

Erschwerend kam hinzu, dass dort wo noch Firn auf dem Eis lag dieser so dick war, dass man nicht ans Eis ran kam zwecks Eisschrauben reindrehen, und dort wo das Eis rausschaute waren große, offene Spalten. Mal abgesehen davon, dass es alles andere als angenehm ist 50 Grad steiles Blankeis zusteigen, anstelle von Trittfirn. Nach mehreren Versuchen gelang es uns dann mit Eisschrauben und T-Ankern gut 80 m Fixseil so in den Hang zu legen, dass das Blankeis nur gesteift wurde und der größte Teil des Aufstiegs über Firn fernab von offenen Spalten verlief.

Bis dann alle Teilnehmer mittels Prusik gesichert am Fixseil ins Joch hochgestiegen waren verging nochmals einige Zeit, so dass wir gegen 13.30 Uhr endlich alle oben waren. Von hier ist es zu den Gipfeln Piz Segnes und Piz Sardona eine Wanderung im Schwierigkeitsgrad leichter Schwäbischer Albwanderungen, aber sie dauert gut 1,5, Stunden hin- und zurück. Und genau die 1,5 Stunden, die wir am morgen später gestartet sind fehlten uns nun hier oben im Joch. Da die Wetterlage nach wie vor recht instabil mit starkem Wind und Nebel war entschieden wir uns schweren Herzens auf die beiden Gipfel zu verzichten und das Surenjoch zu unserem 'Gipfel' zu erklären, mit 2948 m immerhin fast so hoch wie die Zugspitze und die technische Schlüsselstelle hier hin hatten alle mit Bravour gelöst.

Also wurde wieder am Fixseil abgestiegen und über den Gletscher der Weg Richtung Segnespass angetreten. Über einen aussichtsreichen Wanderweg konnten wir an den Tschingelhörnern dann die eindrucksvolle Glarner Hauptüberschiebung bewundern. Hier hatten sich jüngere Gesteinsschichten unter ältere geschoben und werden nun von einem gut sichtbaren, markanten Band getrennt. Ebenso war von dem Wanderweg aus das legendäre Martinsloch zu sehen, durch das zwei Mal im Jahr die Sonne so hindurch scheint, dass sie exakt den Kirchturm von Elm trifft, Prädikat: sehr mystisch. Zum Schluss ging es dann nochmals 150 Hm steil über Schutt, Firn und gesicherte Felsen hinauf zur Mountain Lodge, die geschützt an Felsen gelehnt direkt neben dem Pass auf 2627 m steht.

Die Mountain Lodge liegt absolut spektakulär und die Aussicht von dort ist unbeschreiblich. 1600 m tiefer sieht man Elm, ansonsten schweift der Blick vom Bündner über den Glarner Vorab, zum Hausstock, den Zwölfihörnern, dem Kärpf bis hin zum Glärnisch und ins Alpenvorland. Einfach traumhaft und Gott sei Dank hatten wir hier nun ein Wetter, das uns diese Aussicht genießen lies.

Die Mountain Lodge ist eine sehr kleine, einfache Hütte. Bis 2002 gehörte sie dem Schweizer Militär, dann kaufte sie Rainer Feldner aus Elm. Nach aufwändiger Renovierung wird die Mountain Lodge seither in den Sommermonaten bewirtschaftet, bietet Speis und Trank und Unterkunft für 12 Personen. Also hatten wir die Hütte an diesem Abend für uns alleine, denn wir waren genau zu zwölft. Die neue Hüttenwartin Ulli kochte sehr leckere Spaghetti für uns, mit 2 verschiedenen Saucen und Rainer erzählte uns viel von der Geschichte der Hütte und den Bergen der Umgebung. Einen sehr kurzweiligen und schönen Abend konnten wie dort erleben. Eine Sorge wurde uns denn auch schon recht früh genommen: das äußerst exponiert im Freien stehende Klohäuschen der Mountain Lodge kann man bei Nacht gegen ein in der Hütte liegendes Klo tauschen. Ein schlaftrunkener Ausrutscher auf dem abschüssigen Pfad zum Klo blieb uns also erspart. Die Mountain Lodge ist auf jeden Fall ein Geheimtipp für alle, die ursprüngliche, einfache Hütten und grandioser Landschaft lieben. Eine Übernachtung dort kann nur wärmstens empfohlen werden.

Am Sonntagmorgen war dann richtig gutes Wetter, also wurde um 6 Uhr gefrühstückt und um 7 Uhr gestartet. Und obwohl die Mountain Lodge nur über den Hubschrauber versorgt wird und der Zustieg von Elm 1600 Höhenmeter bedeutet hatte uns Ulli tatsächlich frisches Brot für unser Sonntagsfrühstück gebacken. Soviel steht fest: was Gastfreundschaft angeht können sich viele deutsche und österreichische Hütten von der kleinen Mountain Lodge eine dicke Scheibe abschneiden.

Zunächst ging es dann den Segnespass wieder runter. Eine Besteigung des Martinslochs wurde mit 8 zu 3 Stimmen bei einer Enthaltung (ich) zugunsten des Piz Dolf abgelehnt. Dann also einen Gipfel und kein Loch, auch Recht. Also ging es direkt wieder Richtung Gletscher und hinauf zum Sardonapass. Von dort führt eine breiter Schuttrücken überraschend schnell zum Gipfel des Piz Dolf (3028 m). Nur leider sahen wir dort nichts, denn zwischenzeitlich hatte sich das gute Wetter wieder verabschiedet und wie standen in einer dicken Nebelsuppe.

Das nächste Zwischenziel war dann wieder die Sardonahütte. Auf dem Weg dorthin begegneten uns gut und gerne 30 Steinböcke, ein sehr eindrucksvolles Erlebnis. Vor der Hütte drehte dann noch ein Bartgeier seine Runden, was für eine grandiose Natur. Hüttenwartin Helen berichtet noch, dass drei weitere Jungtiere ausgesetzt wurden, die in ca. 3 Wochen flugbereit sein werden.

Beim Abstieg von der Mountain Lodge erwischte uns dann noch der ganz große Regen, so dass wir nochmals kurz in der Sardonaalp einkehrten, uns trockneten und von unerwartet tiefen und schlammigen Tritten in Kuhlöcher erholten. Die Gerstensuppe dort stimmte zum Abschied dann auch mit dem Wetter wieder versöhnlich und so konnten wir fast trocken den Restweg nach St. Martin antreten. Manch ein Teilnehmer ging dann tatsächlich sogar mit dem Gedanken schwanger, den nächsten Jahresurlaub samt Frau und pubertierender Tochter in der Einsamkeit von St. Martin zu verbringen. Die dickste Fichte der Schweiz, dicke Käfer an der Sardonaalp und eben erst flügge gewordene Bartgeier warten darauf entdeckt zu werden . und mal ehrlich: dagegen ist doch Mallorca echt langweilig . nur ob das alle Familienmitglieder so sehen???

Am Ende eines Berichts kommt die Zeit Danke zu sagen. Dank an Helen und Beat von der Sardonahütte für die Gastfreundschaft und die interessanten Geschichten vom Schweizer und besonders Vättiser Skilanglauf. Dank an Ulli und Rainer für deren Gastfreundschaft und den tollen Abend auf der Mountain Lodge. Dank an die Teilnehmer dieser Ausfahrt, die trotz nicht immer optimaler Rahmenbedingungen immer guter Laune blieben und jede Herausforderung mit Bravour lösten und dabei stets auch noch um's leibliche Wohl des Tourenleiters (also meines!) besorgt waren :-) Und Dank auch an Ingo für die Unterstützung als 2. FÜL bei dieser Tour, die manch kleines Hindernis für uns bereit hielt, welches wir aber im Team immer optimal lösen konnten.


Weitere Infos im Internet:
http://www.sardonahuette.ch
http://www.segnespass.ch
http://www.vaettis.ch
http://www.tektonikarenasardona.ch


Kai's Bildergeschichte (PDF 5.3 MB)

Text: Kai Schroeder
Bildergeschichte: Kai Schroeder