Diashow Genusshochtouren um's Brandenburger Haus in den Ötztaler Alpen, 05.07. - 08.07.2013 zurück zur Übersicht

Wie oft hatten wir Fachübungsleiter bei kernigen Hochtouren nicht schon die Erfahrung gemacht, dass viele Teilnehmer am Ende eines langen Tourentages auf dem Zahnfleisch daher kamen und weder Hüttenterrasse noch 'Hüttenzauber' nach dem Essen genießen konnten. Muss das immer so sein oder kann man es nicht auch mal gemütlicher angehen lassen? Man kann, und das ganze nennt sich 'Genusshochtouren', denn hier zählen nicht Höhenmeter und technische Schwierigkeiten, sondern Erlebnis und Genuss grandioser Landschaften in höheren Regionen. So jedenfalls der Plan.

Die 'Testtour' für dieses Konzept sollte ins Ötztal gehen. Einer Genusshochtour würdig starteten wir auch nicht vor dem Hahnenschrei in Stuttgart, sondern ausgeschlafen um 7 h morgens. Unser Ziel war das kleine Bergsteigerdorf Vent, das wir kurz nach 11 h erreichten und gegen 12 h waren dann alle startklar für den Aufstieg zur Hochjoch Hospiz Hütte (2413 m). Wir erreichten die Hütten gegen 15 h und hatten so noch viel Zeit die Aussicht von der Hüttenterrasse zum Hintereisferner, Weißkugel und Co. zu genießen.

Der 2. Tag startete ebenfalls gemütlich. Es ging zur höchsten Hütte des DAV weiter, zum Brandenburger Haus auf 3277 m gelegen. Auf dem Weg dort hin konnten wir noch die Mittlere Guslarspitze (3126 m) auf einem neuen 'alten' Weg besteigen. Nach dem Abstieg vom Gipfel erreichten wir auf gutem Steig auf ca. 3000 m den Kesselwandferner der uns in einer guten Stunde angeseilt zum Brandenburger Haus brachte. Wir waren dort gegen 14 h, Zeit genug also zum genießen, denn das grandiose, arktisch anmutende Panorama von der von Gletschern umflossenen Hüttenterrasse sucht seinesgleichen. Und da der Hausberg, die Dahmannspitze (3401 m) nur 20 Min von der Terrasse weg ist haben die das Extremchillen kurz unterbrochen und sind da auch noch hoch.

Am 3. Tag starteten wir mit Tagesgepäck Richtung Weißseespitze (3520 m), da auf dem Brandenburger Haus 2 Übernachtungen eingeplant waren. Auf einer derartig genial gelegenen Hütte kann man wirklich nicht nur eine Nacht bleiben. Der Weg zur Weißseespitze ist mehr lang als schwierig. Leider hatte es nachts nicht durchgefroren und auch der Tag versprach große Hitze, was die Sache auf dem Gletscher noch sumpfiger und anstrengender macht. Auf dem Weg zu Weißseespitze begleitet einen stets die Weißkugel, die Weißseespitze selbst hat dann eine recht imposante Nordwand zu bieten und eine Aussicht bis zum Reschensee im Vinschgau. Nach der Weißseespitze waren dann, für die, die noch nicht genug hatten eigentlich noch die Hintereisspitzen geplant, aber leider verdüsterte sich das Wetter rasch und Gewitter kündigten sich an. Also sind wir zur Hütte zurück und haben nach einer ausgiebigen Pause noch ein Update Spaltenbergung unterhalb der Dahmannspitze gemacht. Danach hatte dann wirklich jeder Hunger auf das leckere Abendessen der jüngsten Hüttenwirtin Tirols, Anna Pirparmer.

Am letzten Tag war es erneut sehr warm. Wir wollten aber nicht direkt absteigen sondern über den Fluchtkogel (3500 m) und die Vernagthütte. Der Fluchtkogel ist ein respektabler Berg mit steiler Schlussflanke die bei Blankeis sicher die Eisschrauben zücken lässt. Bei uns war aber bester Trittfirn und wir standen schon im 9 h oben am noch tief verschneiten Gipfelkreuz. Der Abstieg zur Vernagthütte gestaltete sich recht gelenkschonend, da der Schnee auch hier noch weit runter reichte. Auch der Wanderweg zurück nach Vent ist angenehm und gut zu gehen und so erreichten wir am frühen Nachmittag alle entspannt und erholt Vent wieder, eben wie es bei einer Genusshochtour sein sollte.


Infos zum Brandenburger Haus:

Das Brandenburger Haus ist mit 3272 m die höchste Hütte des DAV. Neben diesem Superlativ gibt es dort noch einen weiteren Rekord, denn das Brandenburger Haus wird von der jüngsten Hüttenwirtin Tirols, der Anna Pirpamer, alleine bewirtschaftet. Allein aufgrund der Lage und der in diesen Höhen ständigen Probleme, z.B. mit der Wasserversorgung, in jedem Fall beeindruckend.
Die Geschichte des Brandenburger Hauses ist weniger rühmlich. Ursprünglich zu Sektion Berlin gehörend, spalteten sich einige Mitglieder ab und gründeten die Sektion Brandenburger, als 'arische Bastion' gegen die Sektion Berlin, in der auch jüdische Mitglieder waren. Das Brandenburger Haus wurde dann auch in typischem Protzstil gebaut, ganz nach dem Motto: nicht kleckern, klotzen! Eine derartige Festung in dieser Höhe und fernab jeglicher Zivilisation zu bauen dauerte denn auch einige Jahre. Das Brandenburger Haus sollte ausdrücklich nur arischen Bergsteigern Unterkunft bieten.
Nach dem 2. Weltkrieg entschied der Deutsche Alpenverein, dass die Sektion Brandenburg aufgrund ihrer unrühmlichen Geschichte für immer aufgelöst wird. Ihr Eigentum, also auch die Hütten, wurden der Sektion Berlin übereignet. Die Sektion Berlin arbeitete die traurige Geschichte mit wissenschaftlicher Unterstützung sehr transparent auf. Auf dem Brandenburger Haus gibt es hierzu verschiedenste Schriftstücke, in denen man dies nachlesen kann. Zudem wurde das Brandenburger Haus explizit zu einem Ort erklärt, der allen Menschen, egal welcher Herkunft, Rasse, Religion und politischer Gesinnung offen steht, so diese eine grundlegenden Toleranz füreinander haben!


Links mit Infos zu den Hütten:
http://www.dav-berlin.de/index.php/arbeitsgebiet-oetztal/brandenburger-haus/
http://www.dav-berlin.de/index.php/arbeitsgebiet-oetztal/hochjoch-hospiz


Kai's Bildergeschichte (PDF, 6 MB)

Text : Kai Schroeder
Bildergeschichte: Kai Schroeder